Die führende Industrieschnittstelle
Jedes Jahr entscheiden sich mehr Anwender für Gigabit Ethernet, kurz GigE, als primäre Kameraschnittstelle. Mehr Systemflexibilität, verfügbare Standardkomponenten, kostengünstige 100-m-Kabel und die Einhaltung von Industriestandards haben GigE zu einer dominanten Schnittstelle in der industriellen Bildverarbeitung gemacht. Seit 2006 wächst der Marktanteil von GigE-Kameras stetig; heute werden sie in mehr als 50 Prozent der Machine-Vision-Systeme eingesetzt.
Inhaltsverzeichnis

Oben: Ein breites Spektrum an GigE-Komponenten ist sofort verfügbar
Mehrpunkt-Steuerung und Flexibilität
Die wachsende Verbreitung von Ethernet in der Industrie beruht auf der flexiblen Mehrpunkt-Topologie und 100-m-Kabellängen zu geringen Kosten. Im Gegensatz zu Punkt-zu-Punkt-Schnittstellen für kurze Distanzen (< 10 m) wurde Ethernet entwickelt, um mehrere Rechner skalierbar und standardisiert über Räume, Etagen und Gebäude zu vernetzen. Seit der Standardisierung 1983 deckt Ethernet Bandbreiten bis 40 Gbit/s und sogar 100 Gbit/s ab. Solche Spitzenwerte sind vor allem in IT- und Rechenzentrumsnetzen üblich, doch Kameras mit höherer Ethernet-Bandbreite halten Einzug in die Bildverarbeitung und 1-Gbit/s-Kameras bleiben der Mainstream. Die große Auswahl standardisierter Ethernet-Hardware vereinfacht das Systemdesign und senkt Kosten. Mit 100-m-Kabellängen lassen sich Kameradistanzen frei wählen; mehr Reichweite ist über zusätzliche Switches möglich. Geräte mit Power over Ethernet (PoE) bündeln Daten und Strom in einem Kabel und reduzieren damit Verkabelung und Wartung. Das alles schafft deutlich mehr Spielraum beim Design von Mehrkamera-Applikationen.
Side Note
Prüfen Sie am PoE-Switch oder an der Schnittstellenkarte stets den jeweiligen IEEE-Leistungsstandard, damit alle PoE-Kameras ausreichend versorgt werden. IEEE definiert:
IEEE 802.3af Typ 1-15,4 W
IEEE 802.3at Typ 2-30 W
IEEE 802.3bt Typ 3-60 W
IEEE 802.3bt Typ 4-100 W

Oben: Ethernet ermöglicht vielfältige Mehrpunkt-Applikationen
EMI-Schutz: Cat-6a-Verkabelung
Mit steigenden Bandbreitenanforderungen entwickeln sich standardisierte Ethernet-Kabel weiter, um höhere Geschwindigkeiten bei Störfestigkeit und kontrollierten Emissionen sicherzustellen. Cat-6a führt die 100-m-Kabellänge fort und unterstützt Frequenzen bis 500 MHz für 10 Gbit/s. Cat-6a minimiert Übersprechen durch größere Leiterdurchmesser, engere Verseilung, Paartrennung und einen stärkeren Außenmantel. In lauten Industrieumgebungen mit vielen EMI-Quellen wie Leuchten, Maschinen und benachbarten Kabeln sowie RFI durch Mobiltelefone und Funknetze helfen geschirmte Varianten, Störeinflüsse zu mindern. Da bei 10 Gbit/s die Paar-zu-Paar-Kopplung zum limitierenden Faktor wird, sind Cat-6a-Kabel mit einzeln geschirmten Adernpaaren erhältlich, um die Signalqualität zu verbessern. Alle Cat-6a-Kabel können im Feld mit normalen oder geschirmten RJ45-Steckverbindern konfektioniert werden.

Cat-6a U/UTP
Category-6a-U/UTP-Kabel bestehen aus vier ungeschirmten, verdrillten Adernpaaren (UTP) ohne Gesamtschirm (U).

Cat-6a S/UTP, SF/UTP
Geschirmte Cat-6a-UTP-Kabel besitzen eine einfache oder doppelte Schirmung mit Folie und/oder Geflecht über der Gruppe der ungeschirmten Adernpaare.

Cat-6a STP oder FTP
Cat-6a-STP- bzw. FTP-Kabel besitzen eine Einzelschirmung um jedes verdrillte Adernpaar, entweder als Folie (FTP) oder als Geflecht (STP).

Cat-6a SFTP
Cat-6a-SFTP-Kabel kombinieren zwei Schirme: einen Gesamtschirm über allen Paaren und einen Einzelschirm je Adernpaar.
Hinweis
Maximale Kabellängen (ohne Extender)
GigE: 100 m
CoaXPress: 130 m
Camera Link: 10 m
Camera Link HS: 15 m
USB 3.1: 3 m
Keine gemeinsame Masse
Industrielle Motoren und Relais erzeugen Schaltstörungen, und parallel zu Datenleitungen verlegte Stromkabel können Rauschen und gefährliche Spannungen einkoppeln. Unterschiedliche Erdpotenziale zwischen Geräten führen zu Masseschleifen mit zusätzlichem Rauschen und EMI-Problemen. Um Funktion und Sicherheit zu gewährleisten, werden Geräte galvanisch getrennt, damit kein Strom zwischen verbundenen Geräten fließt, während Daten übertragen werden. Ethernet wurde von Beginn an mit diesem Ziel entwickelt. Übertrager auf beiden Seiten der Verbindung trennen die Geräte wirkungsvoll. GigE-Vision-Kameras teilen daher keine gemeinsame Masse, was das Risiko für Kamera und Peripherie reduziert.

Oben: Übertrager (rot) sind im Ethernet-Standard verankert. Sie können extern oder im Steckverbinder integriert sein.
Hohe Standards
Für die Machine-Vision-Branche sind Gigabit-Ethernet-Standards entscheidend für das Wachstum von GigE-Kameras. Die Einhaltung von GigE Vision™ und GenICam sorgt für hohe Interoperabilität zwischen Hardware- und Software-Anbietern. Kompatibilität und Benutzerfreundlichkeit steigen und Anwender erhalten mehr Auswahl.

GigE Vision wurde 2006 von der Automated Imaging Association (AIA) eingeführt. Der Standard vereinheitlicht Integrations- und Kommunikationsprotokolle über Ethernet zwischen Kameras, Hardware-Komponenten und Softwarepaketen. So funktioniert z. B. jede GigE-Vision-konforme Drittsoftware mit jeder entsprechend konformen Kamera. GigE Vision umfasst vier Komponenten:
- Geräteerkennung für IP-Vergabe (Persistent IP, DHCP, Link-Local).
-
GigE-Vision-Steuerprotokoll auf Basis von UDP. Es definiert die Gerätesteuerung und Konfiguration, Stream-Kanäle sowie den Transfer von Bild- und Konfigurationsdaten zwischen Kamera und Rechner.
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GigE-Vision-Stream-Protokoll, ebenfalls auf UDP, das Datentypen und Bildübertragungsarten festlegt.
-
Eine XML-Beschreibungsdatei nach dem GenICam-Standard (siehe rechts).

GenICam wurde 2006 eingeführt und 2008 von der EMVA ratifiziert. Ziel ist die Standardisierung der Programmierschnittstelle, also Konfiguration der Kamera, Bildaufnahme, Zusatzdaten und Events. Eine standardisierte Feature-Namenskonvention (SFNC) sorgt für ein konsistentes Nutzererlebnis über Kamerahersteller hinweg. Der GenICam-Standard umfasst drei Hauptbereiche:
- GenApi bietet eine generische Programmierschnittstelle für Kameras.
- GenCP definiert das Steuerungsprotokoll für GenICam-Kameras.
- GenTL beschreibt eine generische Methode zur Geräteerkennung, Kommunikation mit weiteren Komponenten und zum Streaming zum Host-Rechner.
Dank dieser beiden Standards lassen sich Anwendungen schneller und mit weniger Risiko aufbauen und erweitern. GigE Vision erleichtert das Verbinden und Steuern von Geräten mit Drittsoftware. GenICam reduziert die Einarbeitung in unterschiedliche Software durch ein einheitliches, vorhersagbares Bedienkonzept.
Höhere Zuverlässigkeit dank Paketwiederholung
Für GigE-Vision-Anwendungen sind geringe Latenz und hohe Übertragungsraten entscheidend. Daher nutzt GigE Vision UDP statt TCP. UDP verzichtet auf umfangreiche Fehlerprüfungen und Aushandlungen zwischen Geräten und Host, um die Geschwindigkeit zu maximieren. Da UDP weniger Zuverlässigkeit bei der Paketzustellung bietet, ergänzt der GigE-Vision-Standard die UDP-Pakete um Header mit Bild-, Paket- und Zeitstempelnummern. So lassen sich Pakete bei Bedarf korrekt sortieren. Zudem kann eine Wartezeit definiert werden, nach der für fehlende Pakete automatisch eine Wiederholung angefordert wird.
Hinweis
Maximieren Sie die GigE-Bandbreite, indem Sie die Paketgröße erhöhen. Aktivieren und konfigurieren Sie Jumbo Frames mit 9000 Byte, um den Protokoll-Overhead gegenüber der Standardgröße von 1500 Byte deutlich zu senken.

Oben: Fehlende Pakete werden angefordert und in die richtige Reihenfolge einsortiert
Im Beispiel oben wird ein Bild in fünf Paketen an den Host übertragen. Die Pakete kommen in falscher Reihenfolge an und Paket 3 fehlt. Es wird eine Wiederholung angefordert, Paket 3 kommt nach und die fünf Pakete werden korrekt angeordnet. Diese Wiederholung steigert die Übertragungssicherheit. Sie ist jedoch nicht zwingend Bestandteil der GigE-Vision-Konformität. Bei kritischer Datenübertragung sollten Sie daher Kameras mit dieser Funktion auswählen.
Zuverlässigkeit durch spektrale Entkopplung
Die starke Zunahme drahtloser Geräte im unlizenzierten ISM-Spektrum kann Verbindungen stören und die Zuverlässigkeit Ihrer Kamera beeinträchtigen. Wi-Fi, Bluetooth, Zigbee, schnurlose Telefone, Mikrowellen und einige Netzteile senden im 2,4-GHz-Bereich. In dicht gepackten Anwendungen variiert die Störbeeinflussung. Anders als z. B. USB 3.1, das im 2,4-GHz-Band stören oder gestört werden kann, arbeitet Ethernet bei deutlich niedrigeren Frequenzen. Gigabit-Ethernet signalisiert mit 125 MHz. GigE-Vision-Kameras und Ethernet-Komponenten reagieren daher kaum auf diese Störungen und verursachen sie auch nicht. Maßnahmen wie Schirmung, Kanalwahl oder Abstände sind möglich, am zuverlässigsten ist jedoch, Störungen von vornherein zu vermeiden.

Oben: Ethernet arbeitet mit 125 MHz (blau). Milliarden von Wi-Fi-, Bluetooth- und Zigbee-Geräten nutzen 2,4 GHz (schwarz). Andere Geräte nutzen oder stören das 2,4-GHz-Band (grau).
Pünktlich und einsatzbereit
Precision Time Protocol (PTP), bekannt als IEEE-1588-Standard, synchronisiert vernetzte Geräte paketbasiert. GigE Vision 2.0 integriert PTP IEEE 1588. Damit lassen sich PTP-fähige Kameras und Geräte im Netzwerk auf wenige Mikrosekunden synchronisieren. Das ermöglicht präziseres Zusammenspiel von Kameras, Sensoren, Triggern, Motoren und Controllern, senkt Jitter und erhöht die Prozessgeschwindigkeit.

Taktsynchronisation PTP-fähiger Geräte
Zunächst wird per Austausch von Paketen ermittelt, welches Gerät als Master-Clock fungiert; alle anderen arbeiten als Slave-Clocks. Im Beispiel wird der PTP-Switch zum Master gewählt und alle Geräte übernehmen dessen Takt.
Durch PTP lassen sich Scheduled Action Commands nutzen und ein synchroner Free-Run zwischen allen Kameras aktivieren. Geplante Action Commands ermöglichen präzise Software-Trigger und reduzieren den Bedarf an Hardware-Triggern. Im synchronen Free-Run stimmen mehrere Kameras ihre Verschlusszeiten bis in den Sub-Mikrosekundenbereich ab. Lösen geplante Action Commands aus, triggern alle Kameras gleichzeitig. So arbeiten über die gesamte Fertigung synchronisierte Kameras mit Zeitstempeln im Sub-Mikrosekundenbereich, ganz ohne zusätzliche Triggergeräte und -kabel.
Die Zukunft von Ethernet
Standard | Function group | Title |
---|---|---|
IEEE 802.1AS-Rev | Timing and Synchronization | Timing and Synchronization for Time-Sensitive Applications |
IEEE 802.1Qbv | Forwarding and Queuing | Enhancements for Scheduled Traffic |
IEEE 802.1Qbu | Forwarding and Queuing | Frame preemption |
IEEE 802.1Qca | Stream Reservation (SRP) | Path Control and Reservation |
IEEE 802.1CB | Stream Reservation (SRP) | Seamless Redundancy |
IEEE 802.1Qcc | Stream Reservation (SRP) | Enhancements and Performance Improvements |
IEEE 802.1Qci | Forwarding and Queuing | Per-Stream Filtering and Policing |
IEEE 802.1Qch | Forwarding and Queuing | Cyclic Queuing and Forwarding |
IEEE 802.1CM | Vertical | Time-Sensitive Networking for Fronthaul |
IEEE 802.1Qcr | Forwarding and Queuing | Asynchronous Traffic Shaping |
IEEE 802.1CS | Stream Reservation | Local Registration Protocol |
Fazit
Die Argumente für Ethernet sind überzeugend. Andere Schnittstellen liefern teils höhere Bandbreiten, doch Systemflexibilität, Gesamtkosten, Zuverlässigkeit und Zukunftssicherheit sind ebenso entscheidend. Planen Sie heute schon den nächsten Schritt: die Modernisierung bestehender GigE-Infrastruktur auf 2,5, 5,0 und 10 Gbit/s sowie die Auswirkungen auf größere Netze mit mehr Kameras und Geräten, mehr Cloud-Zugriff für Speicherung und Analyse und mehr On-Camera-Verarbeitung bei weniger Hosts. Wer heute auf Ethernet setzt, schafft eine reibungslose Migration zu künftigen Technologien, erhält Systemzuverlässigkeit und steigert die Deterministik. Viele Neuerungen erfordern keinen Komplettumbau. Mit einer Ethernet-basierten Architektur können Ingenieure künftige Designs sicher planen, ohne grundlegende Änderungen im Ethernet-Ökosystem zu fürchten.